Mein knapp dreijähriger Sohn hat vor kurzem seine erste schmerzliche Erfahrung mit dem Tod gemacht. Ein sehr guter Freund von mir ist verstorben, den mein Sohn immer als seinen Lieblingsonkel angesehen hat. Als ich telefonisch die Nachricht von seinem tödlichen Unfall hörte, brach ich in Tränen aus. Ganz besorgt kam mein Sohn zu mir auf den Schoß gekrabbelt und wollte wissen, warum ich so traurig bin.
Die Vorstellung vom Tod ist bei kleinen Kindern ganz anders.

Ich habe ihm gesagt, dass Onkel Lukas tot ist und ich deshalb so tüchtig weinen müsste. Er sah mich nachdenklich an, und man konnte förmlich sehen, wie es in seinem kleinen Kopf arbeitete und rauchte. Dann fragte er mich, ob das bedeute, dass Onkel Lukas jetzt ganz doll schlafen würde und man ihn deshalb nicht aufwecken könnte. Ich sagte, ja, so in etwa sei tot zu verstehen.

Er runzelte die Stirn und überlegte noch ein wenig. Dann meinte er. ob ich sicher sei, denn man könne doch jeden Menschen aufwecken, wenn man nur genug Krach mache. Vielleicht schlafe Onkel Lukas ja gar nicht, sondern sei einfach nur fortgefahren. Ja, ganz bestimmt, und er würde dann irgendwann wiederkommen. Weil ich so traurig sei, würde er jetzt losgehen und ihn suchen.

Kinder brauchen konkrete Beispiele

Mir wurde klar, dass mein Sohn mit seinen Vorstellungen einer langen Reise mit Wiederkehr noch keine konkrete Vorstellung davon hatte, was tot sein eigentlich bedeutet. Wollte ich nicht Gefahr laufen, ihn ständig bei seiner Suche nach Onkel Lukas selber suchen zu müssen, musste ich es ihm aber irgendwie verständlich machen.

Zum Glück fiel mir ein, dass vor kurzem unser Kaninchen Hubert (keine Ahnung, wieso mein Sohn ausgerechnet auf diesen Namen verfallen ist) gestorben war. Natürlich haben wir Hubert nicht gegessen, sondern alle zusammen feierlich im Garten begraben. Also fragte ich meinen Sohn, ob er sich an Huberts Tod und seine Beerdigung erinnern könne – genauso sei das auch mit Onkel Lukas.

Erst jetzt begriff er wirklich, was tot sein bedeutet, und sein Gesicht verzog sich schmerzerfüllt, während ihm große Tränen die Backen herab kullerten.

Ich muss sagen, ich beneide meinen Sohn um die Unbekümmertheit und Gegenwartsbezogenheit der Kindheit. Bei mir ist der Schmerz über Lukas‘ Tod sehr präsent und fast immer spürbar. Mein kleiner Sohn hingegen fragte mich nach einigen Minuten wieder ganz vergnügt, ob wir jetzt endlich Eis essen gehen würden. Natürlich gingen wir, und es hat mich ein wenig abgelenkt.