Ich mag schöne Dinge. Ich liebe es, einen Pullover aus Kaschmir zu tragen, mir verschafft eine edle Bettwäsche aus Baumwollsatin ein wohlig-luxuriöses Gefühl. Und auch ein toller Herrenduft kann mich echt begeistern. Ich gebe hiermit sogar zu, dass ich eine Gesichtspflegecreme für Herren benutze, jawohl!

Wenn ich Kostümfilme aus früheren Zeiten sehe, werde ich immer ganz neidisch, war es doch damals auch für die Männer ganz normal, sich mit Spitzen und Juwelen zu schmücken, Perücken zu tragen und sich das Gesicht zu schminken. Heutzutage ist das ja leider doch so ziemlich verpönt, und Männer, die sich so ausstaffieren, landen sofort in einer ganz bestimmten Ecke.

Deshalb beneide ich die Frauen. Sie dürfen nicht nur, sie sollen sogar in schmückendem Beiwerk und gepflegtem Makeup schwelgen. Welche faszinierende Auswahl an Produkten wartet da auf sie in der Kosmetikabteilung! Diese hübschen Tiegel und Flakons, edle Bürsten und Pinsel, riesige Paletten mit Hunderten von Farbtönen…. und wieder steigt Neid in mir auf, dass sie so eine üppige Auswahl an Verschönerungsmöglichkeiten haben.

Warum eigentlich? habe ich mich trotzig gefragt. Wenn Männer über Jahrhunderte lang in punkto Schönheitsmittel gleichberechtigt waren, warum sollten sie es jetzt nicht mehr sein? Nur weil irgendwann einmal jemand gesagt hat, Makeup sei unmännlich? Pah!

Ich wollte es wissen. Zum einen wollte ich wissen, wie man sich als Mann mit Makeup fühlt, und zum anderen wollte ich wissen, wie meine Umwelt darauf reagiert. Daher habe ich eine gute Freundin, die in meinen Augen immer sehr geschmackvoll geschminkt ist, um etwas Hilfestellung gebeten. Sie beäugte mich schon etwas konsterniert, ich musste ihr erst umfassende Erklärungen liefern.

Aber dann hat sie sich ans Werk gemacht und mich geschminkt. Das volle Programm, sie hat mir die einzelnen Schritte erklärt. Irgendetwas mit Grundierung, Concealer, Makeup, Puder und so weiter – wie man sich das alles merken kann! Es scheint eine echte Kunst zu sein, in die man sich erst einarbeiten muss.

Ich hatte beschlossen, während der Prozedur nicht in den Spiegel zu sehen, sondern mich überraschen zu lassen. Nach der manchmal etwas unangenehmen Schminkerei (diese Sache mit der Wimpernzange war wirklich höllisch, sie hat mir das Oberlid eingeklemmt) war es dann so weit: Ich warf einen Blick in der Spiegel. Und war sprachlos.

Mich blickte ein völlig fremdes Gesicht an, das ich noch nie gesehen hatte. Androgyn, ausdrucksvoll, aber irgendwie sehr befremdlich. Ich muss zugeben, mit Makeup sah ich nicht wie ich selbst aus, aber deutlich besser als en nature. Ich versuchte in der nächsten halben Stunde, mich an mein neues Gesicht zu gewöhnen, muss aber zugeben, dass es mir nicht gelang. Und die Vorstellung, mit Lippenstift, Mascara und Lidschatten auf die Straße zu gehen, war ganz undenkbar.

Aber meine findige Freundin fand eine andere Variante, mit der ich mich anfreunden konnte und die ich ab und an wirklich einmal anwende, meistens abends. Sie hat mir das ganze Zeug wieder herunter gewischt (das war fast genau so viel Arbeit wie das Auftragen) und hat mir zum Schluss einen einzigen dezenten Kajalstrich am Inneren meiner Augen gemacht. Auch gewöhnungsbedürftig, sich mit einem Stift im Auge herum zu fahren.

Als ich danach in den Spiegel sah, konnte ich zuerst nichts feststellen. Ich merkte nur, dass ich auf einmal so einen besonders ausdrucksvollen Blick hatte, fast schon glutvoll, könnte man sagen. Faszinierend – und es gefiel mir.

Vielleicht ist das der Wiedereinstieg der Männer ins Makeup: so dezent geschminkt, dass man nicht das Makeup, sondern nur die Wirkung sieht. Mir hat mein fast unsichtbarer Strich mit dem Kajalstift auf jeden Fall schon etliche Komplimente eingebracht. Männer, es ist einen Versuch wert!